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Interview mit Birgit Schad, Mrs City Cleaners Germany

THE NEW INSIDER: Sie sammeln seit mittlerweile sieben Jahren ehrenamtlich Müll. Woher nehmen Sie diese Energie?
Birgit Schad: Es bleibt mir nichts Anderes übrig, denn ich ärgere mich über jedes Stück Müll in der Natur. Ich weiß, dass viele Tiere und Kleinstlebewesen durch die Ignoranz und Bequemlichkeit vieler Menschen ihr Leben lassen. Man könnte inzwischen sagen, dass ich es vorrangig für die Tiere tue, und wenn es „nur“ die toten Käfer sind, die in einer weggeworfenen Weinflasche zu Tode gekommen sind.

Ist es nicht ermüdend, den Menschen ihren Müll hinterher zu räumen?
In der Tat. Nach nunmehr sieben Jahren täglichen Aufräumens stelle ich persönlich fest, dass ich auf der einen Seite viel auf die Beine gestellt habe und viele Menschen animieren konnte, sich ebenfalls zu engagieren. Auf der anderen Seite wird der Müll jedoch dadurch nicht weniger. Das kann schon mal frustrierend sein.

71 Milliarden Zigarettenkippen verseuchen in Deutschland jährlich den Boden, nur ein einziger Stummel vergiftet schätzungsweise 40 Liter Grundwasser. Trotzdem ist das Wegschnippen von Zigaretten noch immer salonfähig. Was muss sich hier ändern?
Inzwischen gibt es Studien, in denen es heißt, dass eine Kippe sogar bis zu 1000 Liter Wasser verunreinigt. Tatsächlich ist es so, dass die meisten Raucher sich sehr wohl der Tatsache bewusst sind, dass ihr sorgloses Wegschnippen kein korrektes Verhalten darstellt. Da jedoch kaum Konsequenzen befürchtet werden müssen und es ja gefühlt alle machen, wird es gesellschaftlich hingenommen. Wir müssen eventuell mit Aufklärung und Sanktionen gegensteuern, so dass Kippenschnippen als das angesehen wird, was es ist: asozial. Ich persönlich verteile oft gratis Taschenaschenbecher. Mit freundlicher Ansprache und einem charmanten Lächeln auf den Lippen nimmt jeder Raucher diese gerne an. Ebenfalls bewährt haben sich sogenannte Kippengläser, alte Schraubgläser, die als Aschenbecher zum Beispiel an Bänken oder Bushaltestellen von meinen Mitstreitern und mir aufgehängt werden. Diese erfreuen sich großer Beliebtheit und zeigen einmal mehr, dass der rauchende Mensch eigentlich weiß, wohin seine Kippe gehört: in den Mülleimer.

Statt achtlos weggeworfene Zigarettenkippen aufzusammeln, haben Sie die so genannten Schandkreise ins Leben gerufen. Was hat es damit auf sich?
Wenn man irgendwann merkt, dass ein ständiges Aufsammeln der Kippen nicht mehr funktioniert oder diese Art von clean-up nicht mehr zielführend ist, sucht man andere Wege zur Aufklärung. Durch das Markieren jeder Kippe mit einem bunten Kreidekreis wird das Problem für jeden sichtbar. Für die Raucher, für jeden Passanten, für Kinder, die neugierig fragen, was es mit den Kreisen auf sich hat, für Reinigungskräfte. Wenn sich in einem Beet vor dem Hauptbahnhof in Osnabrück 450 Kippen befinden, sieht die kaum jemand. Wenn jedoch 450 bunte Kreise mit jeweils einer Kippe den Bahnhofsplatz verschönern, ist die Aufmerksamkeit garantiert. Es gilt, die Bevölkerung zu sensibilisieren und möglichst dem Raucher begreiflich zu machen: Du machst da gerade heftig was falsch, wenn du die Kippe in den Gulli trittst!

Inzwischen schulen Sie auch Schülerinnen und Schüler zum Thema Plastikkunde. Was können wir uns darunter vorstellen und wie hat sich das ergeben?
Wie schon erwähnt, wollen wir ehrenamtliche Müllsammler nicht bis zum Ende unserer Tage den Müll der anderen aufsammeln. Der Hebel muss früh angesetzt werden und hier kommen die Schülerinnen und Schüler ins Spiel. Nachdem ich am Strand von Texel in einer Woche 52 Luftballons und eimerweise Hartplastik eingesammelt hatte, kam mir die Idee, genau diese Dinge Kindern und Jugendlichen zeigen zu wollen. Ich kreierte eine Leinwand mit Fundstücken, überlegte mir ein Konzept für verschiedene Jahrgänge, von der Grundschule bis zur Oberstufe. Gemeinsam gehen wir dann zum Beispiel in der Grundschule der Frage nach, warum da eine gammelige Zahnbürste am Strand lag, während sich die Oberstufen eher auf die Herkunft der Plastikpellets – genannt Nurdles – konzentrieren und sich mit den Auswirkungen von Kippen in der Natur beschäftigen. Inzwischen gibt es ständige Kooperationen mit Schulen im gesamten Landkreis Osnabrück, auch Anfragen aus Bremen, Herford und bis ins Ruhrgebiet sind darunter.

Mittlerweile müsste doch auch beim Letzten angekommen sein, dass es für unseren Planeten später als fünf vor zwölf ist. Umwelt- und Klimaschutz sind so wichtig, doch warum macht es Menschen zum Teil so aggressiv? Denn auch Sie werden ja immer wieder angefeindet, obwohl Sie Gutes tun.
Der Mensch hat eigentlich Angst vor Veränderungen oder versteht noch nicht, dass jedes individuelle Handeln zur Verschlimmerung oder Verbesserung des derzeitigen Zustands beiträgt. Kaufe ich die Äpfel im Plastiksack oder einzeln? Esse ich mal weniger oder gar kein Fleisch? Nehme ich heute mal das Fahrrad zur Arbeit? Es ist noch nicht jedem bewusst, dass jeder Einzelne sehr viel Macht hat und mit kleinen Dingen zur Veränderung beitragen kann. Meist sind die Leute, die am lautesten schreien und mit dem Finger auf andere zeigen, diejenigen, die in ihrem Leben keinerlei Veränderungen vornehmen, ganz nach dem Motto: Was bringt das, wenn ich heute auf mein Steak verzichte? Da ist es doch viel leichter, über Leute zu lachen, die freiwillig den Müll der anderen wegräumen oder aber krampfhaft nach Dingen zu suchen, die eben jenen Menschen auch nicht als Umweltengel auszeichnen. Auch ich tue Dinge, die der Umwelt nicht gut tun. Es ist jedoch nicht relevant, dass Mrs City Cleaners Germany perfekt ist. Sie will nur dazu anregen, dass alle Menschen auf ihre Art und Weise zu einer saubereren Umwelt beitragen. Daher auch der schöne Spruch: Wir brauchen nicht die eine Person, die perfekt nachhaltig lebt. Wir brauchen Millionen von Menschen, die es nicht perfekt machen, die jedoch irgendetwas tun!

Sie wurden bereits mehrfach mit dem Umwelt- und Klimaschutzpreis ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen das?
Zu den Zeitpunkten der Verleihung war ich schon stolz darauf. Inzwischen bedeutet es mir nichts mehr. Viel mehr ziehe ich aus Sätzen von Schülern, die mir sagen, wie „hammergeil“ die Stunde war, dass sie sich nun „eine Trinkflasche aus Metall wünschen“, oder auch Lehrkräften, die mir bestätigen, wie eindrucksvoll diese Art Unterricht war und wie sensibilisiert die Schüler danach waren.

Gibt es etwas, auf das Sie besonders stolz sind?
Insgesamt kann ich sagen, dass ich auf alles, was ich ehrenamtlich bisher erreicht habe – ohne Unterstützung und ohne finanzielle Mittel – stolz bin. Ein Highlight war natürlich der Bericht mit und über uns bei „Hallo Niedersachsen“, bei „Bingo – Die Umweltlotterie“ und im Sat1-Frühstücksfernsehen. Geehrt fühlte ich mich bei der Einladung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die mich mit einem Infostand zu ihrer dreitägigen Sommerakademie eingeladen hatte.

Was sind ihre aktuellen Projekte oder Pläne?
Als Ratsmitglied der Gemeinde Wallenhorst habe ich gemeinsam mit meiner Fraktion nun erreicht, dass zukünftig Kippensäulen des Anbieters Tobacycle installiert werden, in denen die Giftstummel trocken gesammelt und anschließend der Verwertung zugeführt werden. Somit gelangen keine Giftstoffe mehr in unser Grundwasser. Auch eine schöne Idee für die Stadt Osnabrück! Außerdem plane ich aktuell, meine Aufklärungsarbeit auszuweiten und nicht nur an Schulen, sondern auch in Firmen, Vereinen und anderen Einrichtungen tätig zu werden. Dies kann in Form von Workshops, Vorträgen und gemeinsamen Aktionen oder auch sehr schön als Teambuilding-Event mit anschließendem Grillen oder ähnlichem stattfinden. Eine Zusammenarbeit mit dem Klinikum Osnabrück sowie dem Museum Industriekultur hat bereits gezeigt, dass sowohl Mitarbeiter als auch Kunden, Gäste und Besucher am Thema interessiert sind und sich aktiv einbringen wollen. Ich denke, dass alle Geschäfts- und Firmeninhaber ein Interesse daran haben sollte, auch im Kleinen mit gutem Beispiel voran zu gehen.